Wo sind die Russen auf dem Russenmarkt?

russenmarkt

Der Russenmarkt im Stadtteil Praga. Rund um ein abriss-reifes Stadion gelegen. Heißt aber auch „Stadion des Jahrzehnts" und nicht Allianz- Commerzbank- oder AOL-Arena. Gut, dafür die WM nächstes Jahr in Deutschland. Gute Zeiten hat es wohl nie gesehen: 1955 gebaut, sollte es mal Leistungszentrum und Vorzeige-Sportstätte des kommunistischen Polens werden. Leider war nach dem Bau kein Geld mehr für die Sportler übrig, sodass die riesige Schüssel 30 Jahre nicht genutzt wurde. Bis Händler dort rundherum ihre Verkaufsstände aufschlugen, die man dort bis heute nicht mehr los wird. Es gibt zwar, wie man hört, immer wieder Diskussionen dem ganzen ein Ende zu bereiten; die Händler zu verjagen und das Stadion dem Boden gleich zu machen, aber nun, es ist kein Geld da und so gibt es dort mittlerweile auch eine Polizeistation, die für Ruhe und Ordnung sorgen soll. Dies beschränkt sich jedoch vermutlich, wie so oft hier, auf das Verteilen von Strafzetteln für Trinken in der Öffentlichkeit. Wer sich in Polen sicher fühlen will, zum Beispiel, wenn es um sein Häuschen oder seine Wohnung geht, der engagiert einen privaten Sicherheitsdienst - ein Anruf pro Monat kostenlos. Dennoch, die Polizei zeigt Präsenz auf dem Russenmarkt.
Touristen gewinnen nach Lektüre des einen oder anderen Reiseführers den Eindruck, dass sie dort in ein Krisengebiet fahren würden und lassen ihre Geldbörse und ihre schöne Kamera im Hotel liegen . Ganz zum Ärger der Taschendiebe, die dann doch kein Gerücht sein sollen. Am Markt angekommen offenbart sich ein relativ unspektakuläres Bild. Wer etwa erwartet, dort Plutonium, Waffen oder Frauen angeboten zu bekommen, der wird enttäuscht. Sogar der Handel mit DVDs ist verboten. Ein (fasst) normaler Markt. Eben etwas größer. Gehandelt wird mit Obst, Gemüse und Kleidung aus Fernost. Jedoch fragt man sich, wo denn die Russen sind, die meisten Händler scheinen aus Vietnam zu stammen. Garagen-ähnliche Buden und Container reihen sich aneinander und bilden ein schier undurchschaubares Labyrinth kleiner Einkaufsstraßen. Alles hier scheint aus Fernost zu stammen: Radiowecker, Sonnenbrillen, Schirmmützen, Turnschuhe und Kleidung eben. Und die Markenartikel - alle so günstig! Wer hungrig ist, stärkt sich an einem der zahllosen Imbisse und wer Zigaretten braucht, bekommt die auch hier, gleich stangenweise.
Also alles nicht so schlimm. Dennoch, jemand der sich hier nicht auskennt, fühlt sich doch ein wenig unwohl, man ist eben fremd hier. Ausserdem hält man Ausschau nach den Taschendieben. Zu guter letzt zahlt man als Touri, der sich durch stümperhaftes Polnisch oder gar Englisch outet, saftige Zuschläge. Ihr habt´s ja, denken die sich wohl, nicht ganz zu unrecht. Wem das alles nicht passt, der kann ja einige Strassen weiter in das nigel-nagel-neue Einkaufszentrum gehen. Da ist heile Welt. H&M, Saturn und Carrefour. Und private Sicherheitsleute. Kameras natürlich auch.

stadion des jahrzents1
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